DER IDEALE RAUM
Dénesh Ghyczy
Wir dürfen Ihnen mit Freude unsere Einzelausstellung mit Werken von Dénesh Ghyczy präsentieren.
In der Ausstellung Der ideale Raum kehrt Dénesh Ghyczy zu dem zeitlosen, tief in der DNA seines Œuvres verankerten Thema der Dialektik des Drinnen-und-Draußen zurück. Er schließt damit an die ältere Inside Outside-Serie an und geht in der malerischen Befragung einer dynamischen Wahrnehmung von Raum über diese hinaus. So geraten in seinen neuesten Werken ikonische Orte moderner Architektur durch ihre Übertragung in das Medium der Malerei in zuweilen prekäre Verhältnisse. Boardwalk, eines der zentralen Bilder der Ausstellung, zeigt in einer intensiven Farbpalette, wie sich die offene, modernistische Stahlkonstruktion einer Strandpromenade, eingebettet in die sie umgebende Natur, im Spiel von Licht und Schatten aufzulösen scheint. Malerische Entscheidungen, wie die Wahl von Farben und Pinsel, die Varianz im Farbauftrag, der teilweise durch den Einsatz von Klebestreifen und Stickern wieder abgetragen wird, dominieren das Bildgeschehen und unterwandern die streng orthogonale Gerüststruktur.
Noch weiter treibt der Künstler den Prozess der Abarbeitung an der Textur seiner Bilder in System, einer ausschnitthaften Darstellung des transparenten Glaskörpers der Fondation Cartier von Jean Nouvel in Paris. Während sich die fluide Architektur des Museumsbaus symbiotisch mit der Natur arrangiert, ereignet sich auf der Fläche der Leinwand ein piktoraler Wettstreit zwischen Vegetation und Konstruktion, Chaos und Ordnung, zwischen der zentralperspektivisch organisierten, architektonischen Struktur und der ausufernden, malerischen Pflanzenwelt. Man könnte meinen, dass hier der Idee des illusionistischen Bildraums, im Geiste Leon Battista Albertis berühmter Metapher des Bildes als Fenster zur Welt, mit der Flächigkeit der Leinwand konkurriert, die durch die Gitterstruktur betont wird. Dass dies nicht notwendigerweise der Fall ist, dass das Gitter, das Fenster, die Glasfassade sich in ihrer Durchlässigkeit mit der Natur verschwistern, das Drinnen und Draußen versöhnen, belegen nicht nur zahlreiche Beispiele zeitgenössischer Architektur. Ghyczys Gemälde finden für dieses Phänomen des Porösen und Fluiden, für den Verzicht auf klare räumliche Abgrenzungen zu Gunsten eines radikal dynamischen Raumverständnisses, eine adäquate malerische Ausdrucksform, die gleichzeitig die Bildfläche überwindet und in ihrer Materialität feiert.
Das Bild Museum tanzt in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe. In erster Linie, indem es eine ganz andere, in der Museumsarchitektur durchaus gebräuchliche, Möglichkeit der Öffnung offeriert, nämlich der des Deckenfensters, oder wie es in der Fachsprache heißt: des Oberlichts. Davon abgesehen präsentiert sich der klassische Museumssaal ungewöhnlich geschlossen, karg und grau. Einzig eine Figurengruppe, bestehend aus drei sitzenden Rückenfiguren und einer Großteils verdeckt liegenden Gestalt, bevölkert den bühnenhaften Raum. In Aktion treten jedoch nicht die Figuren. Vielmehr entspinnt sich das Geschehen auf der Ebene der Malerei selbst, in den breiten rosaroten Schlieren, die wie Fetzten von der Decke hängen, im Raum flottieren und das Haus buchstäblich als Ruine demaskieren. Wie ideal dieser Raum ist? Vielleicht hat er seine beste Zeit hinter sich. Oder aber man fragt die jungen Leute, die da einfach so abhängen.
Wie der ideale Raum im Privaten aussehen könnte, lässt der Künstler in Private Utopia durchblicken. Das Bild stellt einen sonnendurchfluteten, stilvoll und gemütlich eingerichteten Wohnraum dar, in dem eine junge, in ihr Buch vertiefte Frau mit hochgezogenen Beinen auf einem Sofa platzgenommen hat. Wie so oft in Ghyczys Arbeiten erscheint die Figur melancholisch und weltfremd. Der im Œuvre des Künstlers häufig vorkommende kunsthistorische Topos der Rückenfigur deutet darauf hin, dass diese zumeist einzeln auftretende Figuren weniger einer Narration dienen, denn als Einstiegs- und Identitifikationsmoment für die Betrachter_innen. Sie erfüllen damit eine Funktion im Bildraum, ähnlich einem Vektor, der eine Blickachse oder Bewegungsrichtung andeutet. Das eigentliche Drama spielt sich auf einer anderen Ebene als der Figürlichen ab, es ereignet sich in der malerischen Darstellung flüchtiger Phänomene, wie Licht und Schatten, Glanzlichter und Spiegelungen, in wellenförmig wogenden Pinselstrichen, die sich wie ein schwebender Klangteppich über die Bildfläche ausbreiten.
Es scheint, als wäre die Harmonie, die flirrende Atmosphäre in Ghyczys Werken einem permanenten dialektischen Balanceakt geschuldet, einem Abarbeiten an den Möglichkeiten, die ihm das Medium der Malerei zur Verfügung stellt, sowie an den Verhältnissen von Drinnen und Draußen, Architektur und Natur, Ordnung und Chaos, Kontrolle und Zufall, und als wäre der ideale Raum das Fixieren eines Moments der Stille in diesem Prozess des ständigen Abwägens und Ausschweifens im großen Spiel von Öffnungen, Zirkulationen, Wechselbeziehungen und Durchdringungen.
Text: Alexandra Hennig, Kunsthistorikerin
Standort
Ausstellungsdauer
Ausstellungsansichten
Werke
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Dénesh Ghyczy
Corridor, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
90 x 120 cm -
Dénesh Ghyczy
Sunny Days, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
170 x 250 cm -
Dénesh Ghyczy
Vintage, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
40 x 60 cm -
Dénesh Ghyczy
Boardwalk, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
170 x 250 cm -
Dénesh Ghyczy
Yoga Attic, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
60 x 90 cm -
Dénesh Ghyczy
Museum, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
180 x 160 cm -
Dénesh Ghyczy
Sonnenterrasse, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
125 x 165 cm -
Dénesh Ghyczy
System, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
160 x 140 cm -
Dénesh Ghyczy
Waldblick, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
85 x 100 cm -
Dénesh Ghyczy
Interior, 2023
Kohle/Acryl auf Karton
70 x 50 cm -
Dénesh Ghyczy
Factory, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
70 x 90 cm -
Dénesh Ghyczy
Corner, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
30 x 40 cm -
Dénesh Ghyczy
Dessau, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
160 x 210 cm -
Dénesh Ghyczy
Private Utopia, 2023
Öl/Acryl auf Leinwand
100 x 105 cm